Klima und Bauwesen
Der Ansatz „nachhaltiges Bauen“ wird auf mehreren Ebenen angestrebt, von den Bauprodukten und Bauprozessen über Gebäude bis hin zu ganzen Städten. Ziele sind die Reduzierung des Ressourcenverbauchs, Energieeffizienz und Erhöhung der Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der gesamten Lebenszykluskosten, wodurch die Nutzungsphase eines Bauwerks an Bedeutung gewinnt. Insgesamt ist die Anpassung der Bauwerke an durch den Klima- oder den demographischen Wandel veränderte Bedürfnisse notwendig (Pahl-Weber 2010).
3.1 Materialwissenschaften
Die Materialwissenschaft widmet sich in Bezug auf aktuelle und zukünftige Klimaänderungen der Frage, wie ein klimabedingtes Werkstoffverhalten die Klimaeinwirkungen reduzieren kann. Da Bauwerke mit einer Nutzungsdauer von mindestens 70 bis 100 Jahren geplant werden, ist es notwendig, Aussagen über das künftige Klima bereits heute im Bauwesen zu berücksichtigen (Gerdes 2010).
Die Herausforderungen für die Bauchemie durch Klimaveränderungen sind in der Abb. zusammengefasst. Beispielsweise sorgen hohe Temperaturen für das beschleunigte Schwinden zementgebundener Werkstoffe, die Abnahme der Leistungsfähigkeit von Alphaltmischungen, die Alterung von Fugendichtmassen oder begünstigen die Bildung von Biofilmen.
Niederschlagsänderungen beeinflussen die Reaktivität der bauchemischen Produkte. Denn Regen und abfließendes Wasser können zur schnelleren Verwitterung von Baumaterialien, vor allem Natursteinen führen, genauso wie zur Quellung von Bindemitteln. Auch ein vermehrter Wechsel von Durchfeuchtung und Trocknung der Materialien beansprucht diese zusätzlich. Auch der Sockelbereich sowie die Statik von Gebäuden können unter veränderten Wassersättigungen des Bodens leiden (BBR 2008, Gerdes 2010).
Herausforderungen für die Bauchemie durch Klimaveränderungen. Quelle: Gerdes 2010.
3.2 Wohnungswirtschaft
Die Herausforderungen für die Wohnungswirtschaft, die mit Klimaveränderungen einhergehen, sind vielfältig.
Klimagerechte Architektur und neue Gebäudetechnologien müssen dafür sorgen, insbesondere im Sommer einen hohen thermischen Komfort bei geringem Energieverbrauch zu gewährleisten. Dies gilt vor allem in Dachgeschosswohnungen. Im Außenbereich ist das Wohnumfeld auch bei Hitze angenehm zu gestalten, beispielsweise durch Begrünung und schattenspendende Gestaltungselemente (Rohde 2010). Auch kann die Einstrahlung durch eine entsprechende Gestaltung der Fensterflächen vermindert werden, also durch einen angemessenen Anteil der Fensterflächen am Gesamtgebäude und die Verteilung der Fenster sowie äußerlicher Sonneschutz (z.B. Fensterläden, Jalousien), sodass einerseits die Helligkeit des Tageslichts ideal genutzt wird, andererseits aber eine Überwärmung der Räume verhindert wird. Außerdem spielt hier die Art der Verglasung eine wichtige Rolle. Verglasungen und Sonnenschutzsysteme müssen dann Wärmeschutz und Energieeffizienz gewährleisten, gleichzeitig vor Überwärmung schützen und beständig gegen natürliche Außeneinwirkungen sowie einbruchssicher sein. Des Weiteren können Lüftungssysteme (z.B. Wärmetauscher) zur Verbesserung des Raumklimas beitragen, während Klimaanlagen aufgrund ihrer schlechten Energieeffizienz zu vermeiden sind (BBR 2008).
Die Infrastruktur muss ebenso an veränderte Niederschläge angepasst werden, z.B. in Form der Anpassung der Kanalisation oder durch Maßnahmen zu Regenwasserrückhaltung und –versickerung. Die vorhergesagte Zunahme von Extremwetterereignissen erfordert zum einen eine widerstandsfähige Bausubstanz und zum anderen einen ausreichenden Versicherungsschutz gegen Elementarschäden (Rohde 2010), vor allem gegen Hagel. Gegenüber Schlagregen können einzelne Gebäude z.B. durch Außenverkleidungen geschützt werden. Sturmereignisse können zur Abdeckung von Dachziegeln und ganzen Dächern führen. Um die Schäden bei einer Zunahme von Stürmen zu begrenzen, können Dachdeckungen zusätzlich befestigt werden, bestehende Schwachstellen ausgebessert oder -bei Neubauten- von Vornherein kompakter gebaut werden (BBR 2008).
Insgesamt ist bei Planungen die Standortanalyse um Klimaaspekte und Folgen der Änderungen zu erweitern (Rohde 2010). Historische Gebäude könnten außerdem stärker vom Klimawandel betroffen sein als neuere, da die Baumaterialien und Bauweisen zum Teil auf Klimaänderungen sensibler reagieren als heutige dies tun. Feuchte kann beispielsweise in Fachwerkhäuser zwischen Holz und Ausfachung eindringen (BBR 2008).
Klimafaktor | Besondere Klimaeffekte | besonders betroffene Gebäude-funktionen und -komponenten | Adaptionsbedarf |
Bedeutung |
Temperatur |
sommerlicher Temperatur-anstieg mit längeren Hitzeperioden |
Außenhülle
Außenwände Dach Fenster Gebäudetechnik |
behagliches und gesundes Raumklima
Wärmeschutz "Glasarchitektur", Tageslichtarchitektur, Sonnenschutz Lüftung, Klimatisierung |
hoch |
Wind |
Zunahme starker Winterstürme
|
Außenhülle Dach Außenanlagen (Satellitenschüsseln, Jalousien, Pergolen, u.ä.) Fassadenverkleidung |
Windfestigkeit von Dächern und Außenanlagen
zum Teil Windfestigkeit von Fassaden |
mittel bis hoch
unklar und nur lokal begrenzt |
Niederschläge | Zunahme von starkem Hagelschlag | Außenhülle
Dachbedeckung Dachanlagen Fassade Fenster |
Schlag- bzw. Bruchfestigkeit | lokal und regional hoch |
Niederschläge | Zunahme von extremen Starkregen-ereignissen (Schlagregen, >40mm pro 24h) |
Außenhülle Dach Außenwand Fenster/Türen erdreichnahe oder im Erdreich liegende Bauteile Sockelbereich Keller |
Dichtigkeit Entwässerung |
hoch |
Niederschläge | Veränderungen des Bodenwasser-haushalts | Bauteile im Erdreich
Fundamente Keller |
Standfestigkeit
Dichtigkeit |
allgemein gering
bei Sonderstand-orten u.U. hoch |
Luftfeuchtigkeit | Zunahme feuchter milder Winter feuchte-empfindliche Bauteile und Baumaterialien | Holzbauweisen
historische Bausubstanz |
konstruktiver Bautenschutz oder Oberflächenschutz
Holzbauteile |
unklar, zur Zeit eher gering
wenn Anstieg relativer Luftfeuchte, dann hoch bei historischer Bausubstanz u.U. hoch |
Klimafaktoren, ihre prognostizierte Veränderung und der Anpassungsbedarf durch die Bauwirtschaft. Quelle: nach BBR 2008.
3.3 Energieeffizienz
Große Potentiale zur Energieeinsparung besten vor allem bei bestehenden Gebäuden, von denen drei Viertel vor 1978 und damit vor der ersten Wärmeschutzverordnung errichtet wurden. Sie befinden sich häufig in unsaniertem Zustand und besitzen daher energetisch ungünstige Eigenschaften, die hohe Nebenkosten verursachen. Neubauten werden heute meist energieeffizient gebaut (BMVBS).
Beispiele für energieoptimierte Neubauten Quelle: Wagner 2010.
Nach Niedrigenergie- und Nullenergiehäusern wurden Plus-Energie-Häuser gebaut, die mehr Strom produzieren als sie verbrauchen und so geringe Nebenkosten verursachen. Neuste Technologien in Bezug auf Wärmedämmung an Außenwänden, Dach und Fenstern, Baumaterialien (sog. Phasenwechselmaterialien können gewonnene Wärme aufnehmen und zeitversetzt wieder abgeben, sodass ein ausgeglichenes Raumklima entsteht), und eine moderne Haustechnik. Die Stromversorgung und Warmwasserversorgung des Hauses erfolgt über Photovoltaik und Flachkollektoren auf dem Dach, der erzeugte, aber vom Gebäude nicht benötigte Strom kann ins Netz eingespeist werden (BMVBS).
Aus Sanierungsmaßnahmen im Bestand sowie beim Einsatz von energieeffizienten Technologien bei Neubauten ergeben sich für Hauseigentümer neben den langfristigen Einsparpotentialen auch direkte Fördermöglichkeiten durch verschiedene öffentliche Programme (siehe auch: http://www.erneuerbare-energien.de/inhalt/3055/ und http://www.energiefoerderung.info/).
3.4 Raumplanung und Raumentwicklung
Die Regionalplanung kann verschiedene Beiträge zum Klimaschutz leisten: Beim Ausbau der erneuerbaren Energie hat sie die Aufgabe, Potenziale zur Energieerzeugung zu erkennen und Standorte zu planen sowie gleichzeitig Nutzungskonflikte zu vermeiden. Instrumente hierzu sind Regionalpläne, die Eignungs-, Vorrang und Vorbehaltsgebiete für die Erzeugung erneuerbarer Energien ausweisen können, und regionale Entwicklungskonzepte und -strategien. In Bezug auf die Siedlungsstrukturen sind im Sinne des Ressourcenschutzes und des Klimaschutzes kompakte Siedlungsweise, energieeffiziente Gebäude und eine Ausweitung des ÖPNV anzustreben. Instrumente der Raumordnung können außerdem die Sicherung von CO2-Senken wie Mooren und Wäldern durch Festlegungen in Regionalplänen unterstützen. Klimaanpassungsaufgaben für die Raumplanung ergeben sich z. B. beim vorbeugenden Hochwasserschutz (Sicherung von Gebieten), in Bezug auf die Durchlüftung von Siedlungsbereichen (Freihalten von Flächen für Kaltluft- und Frischluftzufuhr, Grünflächen), beim Küstenschutz, bei Biodiversität und Naturschutz (Erhaltung von Lebensräumen und Lebensraumnetzen (Biotopverbünden) durch Ausweisung von Flächen für Naturschutz und Landespflege) und bei Infrastrukturanpassungen. Da die Folgen des Klimawandels regional unterschiedlich ausfallen werden, ist besonders die Regionalplanung für die Bewertung der Vulnerabilität und entsprechende Anpassungsstrategien gefordert (ARL 2009).
3.5 Infrastruktur
Die zukünftige Infrastruktur muss an veränderte Niederschläge angepasst werden, z.B. in Form der Anpassung der Kanalisation oder durch Maßnahmen zu Regenwasserrückhaltung und -versickerung.
Eine bessere Anpassung an den Klimawandel kann aber nur erreicht werden, wenn auch das gesamte Planungswesen (z.B. Flächennutzung, Bebauungsplanung) und die relevanten Infrastrukturen (z.B. Energie, Verkehr) den neuen Anforderungen entsprechend verändert werden.